Therapie mit Immunglobulinen

Immunglobuline spielen eine zentrale Rolle in der menschlichen Immunabwehr und pharmazeutische Konzentrate können daher bei einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt werden. Dies kann zum einen vorbeugend und zum anderen zur Behandlung einer bereits bestehenden Erkrankung geschehen. Zusammenfassen lassen sich die einzelnen Wirkmechanismen zu folgenden verschiedenen Gruppen:

Abwehr von Infekten

Immunglobuline spielen bei der Infektabwehr eine zentrale Rolle: Sie markieren in den Körper eingedrungene Fremdstoffe und aktivieren weitere Teile des Immunsystems, um das Antigen unschädlich zu machen.

Es gibt jedoch verschiedene Erkrankungen, bei denen der Körper nicht genügend Antikörper bildet und das Immunsystem somit nicht voll funktionsfähig ist. Dies kann beispielsweise angeboren sein, man spricht dann von einem primären Immundefekt (PID). In diesem Fall werden aufgrund einer genetischen Veränderung die Antikörper nicht richtig gebildet. Erkannt wird dies meist im Kindesalter, wenn Infektionen überdurchschnittlich häufig wiederkehren. Bei einigen Krankheitsbildern treten die Symptome jedoch erst im Erwachsenenalter auf und werden dann oft lange nicht richtig gedeutet. Behandelt werden müssen primäre Immundefekte ein Leben lang. Eine Therapie kann die Häufigkeit von Infekten auf ein normales Maß senken und ihren Verlauf mildern.

Eine weitere Möglichkeit für eine Immunschwäche kann ein erworbener Antikörpermangel sein, man spricht von einem sekundären Immundefekt (SID). Hervorgerufen werden kann ein sekundärer Immundefekt beispielsweise durch Krebserkrankungen oder das erworbene Immundefektsyndrom (AIDS). Die Gefahr ist, dass bei einem ohnehin geschwächten Immunsystem schon kleine Infektionen lebensgefährlich werden können. Eine weitere Möglichkeit für einen erworbenen Immundefekt ist die Transplantation, bei der das körpereigene Immunsystem heruntergefahren werden muss, damit es das transplantierte Gewebe nicht wie einen Fremdkörper behandelt und angreift. In manchen Fällen muss die Immunschwäche vorübergehend, bei anderen Personen lebenslang behandelt werden.

Einsatz bei Autoimmunerkrankungen

Bei Autoimmunerkrankungen liegt eine Störung des Immunsystems vor, die dazu führt, dass sich das Immunsystem nicht gegen fremde, sondern körpereigene Zellen richtet. So kann durch eine Autoimmunerkrankung beispielsweise das Nervengewebe angegriffen werden, so wie beim Guillain-Barré-Syndrom, oder ein Blutplättchenmangel ausgelöst werden (Immunthrombozytopenie). Aufgrund ihrer Funktion im Immunsystem können Antikörper zur Behandlung von außen zugeführt werden, um regulierend in das gestörte Immunsystem einzugreifen.

Einsatz zur passiven Immunisierung gegen bestimmte Krankheitserreger

Zur Verhinderung verschiedener Erkrankungen wie Hepatitis A und B, Tetanus oder Tollwut werden neben den entsprechenden Impfungen speziell angereicherte Immunglobuline eingesetzt, die Hyperimmunglobuline heißen. Diese enthalten hohe Konzentrationen an spezifischen Antikörpern gegen die entsprechenden Erkrankungen.

Bei der sogenannten aktiven Impfung, wie sie beispielsweise Säuglinge und Kinder gegen Tetanus oder Windpocken erhalten, werden inaktivierte Erreger (oder Teile davon) gespritzt, worauf das Immunsystem aktiv Antikörper gegen den entsprechenden Krankheitserreger bildet. Dieser Vorgang dauert jedoch einige Wochen und erfordert in der Regel mehrere Impfstoffgaben.

Bei zuvor nicht geimpften Personen reicht nach dem Kontakt mit einem Krankheitserreger (der sogenannten Exposition) die aktive Impfung nicht aus, um den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern, da es zu lange dauert, bis Antikörper gebildet werden. In diesen Fällen wird die passive Immunsierung angewendet, also die Verabreichung von speziell angereicherten Immunglobulinen. Diese Art der Immunisierung heißt deshalb passiv, weil der Patient direkt die funktionsfähigen Antikörper erhält, ohne dass sein Immunsystem diese selbst bildet. Da diese Hyperimmunglobuline sehr schnell wirken, können sie auch noch verabreicht werden, wenn bereits der Verdacht einer Infektion besteht. Die Dauer der Wirkung ist jedoch auf wenige Wochen begrenzt. Deshalb wird nach Kontakt mit Krankheitserregern die passive Immunglobulingabe oft mit einer aktiven Impfung kombiniert, damit der Patient neben dem Sofortschutz auch einen Langzeitimpfschutz aufbaut.

Die Verabreichung von Immunglobulinen ist sogar bei immungeschwächten Patienten – etwa durch Erkältungen – möglich, da im Gegensatz zur aktiven Impfung das Immunsystem bei der passiven Immunsierung nicht belastet wird. Auch bei der Gabe von Anti-D-Immunglobulinen zur Rhesusprophylaxe bei Rhesus-negativen Schwangeren handelt es sich um eine passive Immunisierung.

Weitere Einsatzgebiete

Darüber hinaus haben Forscher vor einigen Jahren eine weitere Einsatzmöglichkeit von Immunglobulinen entdeckt: Durch ein neues Verfahren konnten Immunglobuline hergestellt werden, die in der Lage sind, sehr gezielt spezielle Zellen anzugreifen. Dieses Wissen wird heutzutage hauptsächlich in der Krebstherapie genutzt, um Tumorzellen direkt zu attackieren und umliegendes Gewebe zu schonen. Die speziell hierfür entwickelten Immunglobuline heißen monoklonale Antikörper ("Biologicals").

Weitere Einsatzmöglichkeiten von Immunglobulinen werden kontinuierlich erforscht.